Berlin Art Week – Die Positions Berlin
Ein Leben in Farbe: Positions Berlin in der dritten Ausgabe im Postbahnhof
Die letzte Woche stand in Berlin, noch mehr als üblich, im Zeichen der Kunst. Unter dem Dach der Berlin Art Week schlossen sich in diesem Jahr erneut unterschiedliche Institutionen wie Museen, Projekträume und private Sammlungen zusammen, um die traditionellerweise zum Herbstanfang beginnende, neue Ausstellungssaison einzuläuten. Praktisch jede Galerie der Stadt nutzte die Gelegenheit, sich mit einem, vielfach spektakulären, neuen Projekt in einem besonderen Licht zu präsentieren. Wäre die Flut der angebotenen Kunst hiermit nicht schon genug, fanden vom 15. bis 18. September zusätzlich zwei Messen statt, die ihrerseits, unter Einschluss ausländischer Teilnehmer, eine Schau der aktuellsten und offenbar begehrtesten künstlerischen Positionen boten.
Während die ABC als Magnet für Galerien eines internationalen Ranges mit einer eindeutigen Ausrichtung auf konzeptuelle Kunst gilt, zeichnet sich die Positions durch eine deutliche Affinität fürs Figurative aus. Liest sich die Teilnehmerliste der ABC mehr wie eine verkleinerte Teilnehmerliste der Art Basel, auf der ein bekannter Name den anderen jagt und beim potentiellen Besucher direkt Assoziationen hervorruft, liegt die Stärke der Positions genau darin, dass hier, selbst für Kenner, das Versprechen auf Entdeckungen in der Luft liegt.
Die Messe und ihre Standorte
Die Positions ist aus der Messe Preview Berlin herausgegangen, die bereits 2005 zum ersten Mal stattfand, und 2014 schliesslich mit neuem Namen und nach Verkleinerung der Direktorenschaft, nunmehr unter der alleinigen Leitung des Galeristen Kristian Jarmuschek, das erste Mal an den Start ging. Nach der Premiere im Kaufhaus Jandorf, einem beeindruckenden architektonischen Beispiel des Art Decos, das nach langem Leerstand mittlerweile regelmässig für Messen oder Festivals genutzt wird, nutzten die Veranstalter im letzten Jahr die Arena und in diesem Jahr den Postbahnhof für die Messe. Der Postbahnhof, bekannt für seinen angegliederten Club, bietet mit seinen 3000 Quadratmetern, auf zwei Hallen verteilt, genügend Platz für die hier wiederholt stattfindenden Fachmessen. Bereits das Gebäude mit seiner imposanten Backsteinfassade und der Fabrikästhetik aus massiven Eisenpfeilern im Innern lohnt an sich ein Besuch.
Raum für Entdeckungen
Auf zwei Ebenen bot nun die Positions 74 Ausstellern Raum, jeweils einige Künstler ihres Programms zu präsentieren. Durch die unterschiedliche Grösse der Ausstellungsflächen und der mehr oder weniger dichten Hängung einzelner Galeriestände herrschte ein etwas gedrängtes Gesamtbild, das am Eröffnungsabend, an dem die Veranstalter 5000 Besucher gezählt haben wollen, vermutlich zusätzlich bedrängend gewirkt haben muss. An den restlichen Tagen jedenfalls liess sich die Veranstaltung in einem selbstgewählten Rhythmus besuchen, und es war genügend Zeit für Gespräche mit den Galeristen. Die meisten entschieden sich für die Präsentation mehrerer Künstler gleichzeitig, weswegen sie sich, selbstredend, für einzelne, ihres Erachtens besonders repräsentative Arbeiten eines jeden Künstlers entscheiden mussten. Nur wenige brachten den Mut auf, sich auf eine künstlerische Position zu konzentrieren, und konnten somit einen grösseren, vielleicht besseren, Eindruck vermitteln, so wie es die Galerie Sardac aus London mit dem eindrücklichen Werk von Steve Goddard (Jahrgang 1959) getan hat.
Im Folgenden finden Künstler und Kunstwerke Erwähnung, die, aus einer subjektiven Empfindung heraus, als bemerkenswert und aussergewöhnlich empfunden worden sind. Anspruch auf eine zusammenfassende Darstellung wird nicht erhoben.
Zu den bekannteren Positionen, da sie einerseits von in Berlin ansässigen Galerien vertreten werden und andererseits genau durch diese bereits auf der Messe gezeigt wurden, gehören Silke Katharina Hahn und Paul Vergier. Hahn zeichnet sich durch ihre Experimentierfreude mit einem im Kunstschaffen bisher eher eigenwilligen Material, dem Heisskleber, aus. Die Galerie mianki aus Schöneberg arbeitet seit längerer Zeit mit der Berliner Künstlerin zusammen und zeigt in ihren Räumlichkeiten, parallel zur Messe, eine ihr gewidmete Einzelausstellung. Die Arbeiten von Hahn sind schwer zu beschreiben. Es handelt sich im Wesentlichen um filigrane dreidimensionale Objekte, die ohne viel Schnörkel eine poetische Kraft entfalten und eine tiefe Ruhe ausstrahlen. Die Werke können auf zweidimensionalen Abbildungen nicht recht verstanden werden, spielt doch die räumliche Umgebung, in deren Beziehung sie präsentiert werden, hier eine entscheidende Rolle.
Der französische Maler Paul Vergier, der bei der Galerie Lorch+Seidel aus Berlin untergebracht ist, interessiert sich für Stadtmotive der vernachlässigten Art. Seine aktuelle Serie an Gemälden und grossformatigen Zeichnungen beschäftigen sich mit Erdhügeln, die bei Baustellen entstehen und zum Schutz vor Nässe und Wind mit Planen bedeckt werden. Virtuos empfindet Vergier den Faltenwurf dieser Planen nach und knüpft dabei an Vorbilder wie Rogier van der Weyden oder Leonardo da Vinci mit ihren Gewändern an. Wenn auch sein Malstil retrospektiv-altmeisterlich wirkt, könnten seine Motive nicht moderner sein.
Ein Hauch von Asien
Verhältnismässig viele Künstler aus Südostasien fanden ihren Platz unter den Ausgestellten. Der Aufschwung des asiatischen Kunstmarktes in den letzten 10 bis 20 Jahren als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung lässt sich weiterhin spüren. Bei der Positions wurde schnell klar, dass Figuren wie Ai Weiwei mit ihrer extrem politisierten Konzeptkunst keineswegs die einzig repräsentative Richtung der zeitgenössischen Kunstproduktion darstellen. An der Grenze zwischen Figuration und Abstraktion steht der Südkoreaner Wonkun Jun, der an der Kunstakademie in Düsseldorf gelernt hat und seitdem in Deutschland lebt. Seine Werke faszinieren durch ihre einzigartige Farbigkeit, die an die Technik des „sfumato“ erinnern und an die frühen Arbeiten von Gerhard Richter anklingen. In minutiöser Fleissarbeit trägt der Künstler Farbschicht um Farbschicht auf und wischt diese so weit ab, bis sie den gewünschten Farbhauch hinterlassen. Dabei kommen bis zu 30 Schichten aufeinander, die sich an den Silhouetten, der vielfach dargestellten Kreise, überlappend zu erkennen geben. An der Messe wurde Jun von der Galerie Bräuning Contemporary aus Hamburg vertreten.
Für den Chinesen Guo Changliang, vertreten von der Galerie Anja Knöss aus Köln, spielt Farbe eine ebensolche wichtige Rolle. Auf seine Art testet er ebenfalls die Grenzen zur Abstraktion aus. Mit einem expressiven Malduktus und grobflächigem Farbauftrag skizziert er alltägliche Szenen: Menschen im Restaurant, im Zug oder in der U-Bahn. Allen Bildern, nicht nur seinen Stadtansichten und Innenraumausschnitten, haftet etwas Statisches und Beklemmendes an, als ob der Künstler die Melancholie hinter den Gesichtern einfangen wollte. Die lakonische Bildsprache wirkt universell und überlässt es dem Betrachter, das offensichtlich Ausgedrückte mit eigenen Interpretationen zu ergänzen.
Ironische Historien- und Porträtmalerei
Aufgefallen ist auch ein junger Künstler am Stand der Galerie Greulich aus Frankfurt am Main. Sebastian Meschenmoser (Jahrgang 1980) lässt sich von der US-amerikanischen Kunst des 19. Jahrhunderts mit ihrer Vorliebe für grossformatige, spektakuläre Landschaften mit vereinzelten Figuren und der ins Kitschige gehenden ältlichen Farbigkeit inspirieren. Die ausgestellten Werke bestehen aus einem grossen Hauptbild, das eine Schlacht zwischen Mensch und Tier darstellt und an Historiengemälde von Tiepolo oder Géricault erinnert, und einem verwandten Zyklus kleinformatiger Bilder. Meschenmoser stellt mit erstaunlichem Reichtum wilde Tiere von Wiesel, Biber, Dachsen, Wölfen und Raubkatzen dar, die im Bild mit dem Titel Showdown (100 x 200 cm) mit Speer und Bogen gegeneinander und gegen die wenigen Menschenfiguren kämpfen. Diese Tiere finden sich in den kleineren Bildern wieder, in denen sie, in der Art der amerikanischen Bügerkriegsveteranen, mit ihren Waffen stolz Modell stehen. Entstanden ist eine originelle und ironische Ahnengalerie.
Hyperrealistische Malerei
Zwei absolute Höhepunkte der Messe sind Vertreter der hyperrealistischen Malerei. Franz Baumgartner, vertreten durch die Galerie Peters-Barenbrock aus Ahrenshoop, schafft es, in einem einzigen Bild die ganze Absurdität der menschlichen Zustände zu verdichten. Sein Ungebügelt zeigt eine angeschnittene Kleiderstange, an der, verloren und mit Klebestreifen zusammengeflickt, ein einzelner Kleiderbügel hängt. Das ist alles. Ausrangiert, vergessen und einsam wirkt das Objekt der vom Menschen missachteten Dingwelt, in das man schnell ein lebendige Individualität hineinprojiziert, die Mitgefühl weckt.
Ähnlich banale Gegenstände macht auch der österreichische Maler Emil Herker, bei der Galerie Brennecke aus Berlin zu sehen, zu seinen Bildprotagonisten. Er zeigt durchsichtige Gläser und Flaschen in Nahaufnahme und setzt knallbunte Verpackungen von chinesischen Lebensmitteln wie Suppentüten und Süssigkeitenpäckchen dahinter. Das Zusammenspiel der beiden Komponenten ist beeindruckend, während die technische Ausführung an den US-amerikanischen Fotorealismus der Nachkriegsjahrzehnte, besonders an Ralph Goings, erinnert. Herker lebt selbst teilweise in China, wo er vermehrt in Ausstellungen zu sehen ist.
Teresa Vena
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