Berlinale 2011 – Film des Tages : Auf der Suche – Forum
„Auf der Suche“ – nach der verlorenen Chance
Der englische Titel des Films, „Looking for Simon“ kommt etwas weniger philosophisch, etwas weniger prätentiös daher als der deutsche, mit seinem Anklang an Marcel Proust und die ganz grossen Fragen. Auf jener Suche nach dem unerklärlich verschwundenen Simon, einem deutschen Arzt, der sich in Marseille niedergelassen hat, sind seine vom Abbruch jeden Kontakts beunruhigte Mutter (Corinna Harfouch), und sein Ex-Lover Jens (Nico Rogner), dessen schwule Beziehung zu Simon schon seit zwei Jahren beendet ist. Sie, die Mutter, hat ihn um Hilfe gebeten, ist ihr doch die fremde Stadt und Sprache ebenso wenig vertraut wie das Leben, welches Simon zuletzt geführt haben muss. Die Detektivarbeit der beiden Protagonisten verläuft eher zäh und frustrierend, die wenigen Spuren erweisen sich als wenig aussagekräftig, immer mehr wird in Frage gestellt, ohne dass Antworten zu bekommen sind.
Der Film versucht einen Mittelweg zwischen Arthaus und Mainstream, der philosophische Anspruch ist unübersehbar, aber ein wenig Psycho-Krimi-Drama soll es dann auch sein. Wie viel wissen wir voneinander, wieweit lässt sich ein anderes Leben überhaupt nachvollziehen und erschliessen? Leider krankt der Film sowohl an der reichlich offensichtlichen Fragestellung, noch mehr aber an der unbefriedigenden Nicht-Beantwortung und einem vorhersehbaren Ende. Das Mutter & Ex-Lover Team macht Konflikte durch und findet selbstverständlich über ein paar emotionale Momente dann doch vorübergehend zusammen. Beim In-Frage-Stellen wird kaum etwas ausgelassen: die geplante, bezahlte, aber nicht angetretene Marokko-Reise, der protzige Sportwagen, den der vermisste Simon sich gekauft hat und der so gar nicht zu ihm zu passen scheint, die Frau, eine Kollegin aus dem Krankenhaus, zu der Simon, eigentlich ja homosexuell, offenbar auch eine intime Beziehung hatte.
Die Homosexualität von Simon und Jens wird politisch korrekt als Selbstverständlichkeit gezeigt und vorausgesetzt, die Glaubwürdigkeit leidet da spätestens beim kernigen Fussballspieler mit nordafrikanischem Migrationshintergrund, mit dem Jens sich ein wenig „nach Feierabend“ vergnügt, jemand aus solchem Milieu wird Schwulsein kaum annähernd so offen leben können. Neben dem sich schnell offenbarenden Strickmuster dieses Films ist es vor allem die Schwierigkeit, mit den Hauptfiguren Empathie zu empfinden, die den Zuschauer unbefriedigt und ohne wirklich bleibende Eindrücke aus den 89 Minuten entlässt. Harfouch wirkt eher ratlos als verzweifelt, und Rogners Coolness ist allzu demonstrativ und wenig variantenreich. Die Nebenfiguren entwickeln kaum Konturen.
Ein Film der unbeantworteten Fragen. Oder eben auch der nicht realisierten Chancen, die der Ausgangspunkt durchaus geboten hätte.
Frank B. Halfar
Auf Der Suche, von Jan Krüger; mit Corinna Harfouch; Nico Rogner; Mehdi Dehbi, Mireille Perrier; Deutschland, Frankreich; 2011; 89 Min.
© j:mag. Tous droits réservés