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Darkroom – Tödliche Tröpfen von Rosa von Praunheim: ein faszinierendes Kinoerlebnis!

Wie selten – und umso erfreulicher – ist es, dass ein überaus produktiver Künstler, der viele Richtungen und Ausdrucksmedien erforscht hat, es nach 50 Jahren Karriere noch immer schafft, zu überraschen und vor allem eine auf den ersten Blick erkennbare Filmsprache zu finden! So ergeht es von Praunheim, einem Veteranen des deutschen Underground-Kinos, Vorreiter und führender Vertreter der Literatur und des militanten Kinos LGBTQ+.
Diese Entwicklung begann mit seinem Film Härte (2015), einem hybriden Doku-Drama über das Leben von Andreas Marquardt, dem deutschen Karate-Weltmeister, der von seiner Mutter sexuell missbraucht und von seinem Vater misshandelt wurde, und dann im Gefängnis gesessen hat, bevor er seinen Weg fand.
In seinem neuen Film Darkroom verfolgt der Regisseur diese Suche nach diskursiver Dekonstruktion in einer klinischen Inszenierung, was die Fakten betrifft, während er die Zuschauer in den inneren Wirren der Protagonisten – ohne sie jedoch an seiner Stelle zu interpretieren – in Szenen taucht, die eher die Welt der Träume berühren.

— Bozidar Kocevski – Darkroom – Tödliche Tröpfen
© missingFILMs

Lars, ein ehemaliger Krankenpfleger aus Saarbrücken, zieht mit seinem Freund Roland nach Berlin um dort als Lehramts-Referendar zu arbeiten. Zusammen renovieren sie eine Wohnung. Von aussen scheint das Glück perfekt. Was Roland jedoch nicht ahnt: Lars treibt sich heimlich im Berliner Nachtleben umher und experimentiert mit tödlichen Substanzen. Für seine Morde verabreicht er seinen Opfern heimlich eine Überdosis Liquid Ecstasy, auch K.-O.-Tropfen genannt.
Die dem Film zugrundeliegenden Taten wurden im Frühjahr 2012 innerhalb von drei Wochen begangen. Gut ein Jahr später wurde der damals 38-jährige Täter vom Landgericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Frühjahr 2014 nahm er sich in der Haft das Leben.

 

Ausführliche Kritik auf Französisch hier.

Rosa von Praunheim zur Entstehung des Filmes

Als ich die Gerichtsreporterin Uta Eisenhardt, der ich die Idee zu meinem Film Darkroom zu verdanken habe, kennenlernte, war ich sofort begeistert. Sie ist eine tolle Frau mit einer enormen Lache, was ungewöhnlich ist für ihren Beruf, der ständig mit Mord, Totschlag und Missbrauch zu tun hat. Zuerst wollte ich einige Reportagen aus ihren Büchern verfilmen, aber dann bot sie mir ihre Notizen zu einem schwulen Kriminalfall an, der noch nicht lange zurückliegt und dessen Prozess sie genau beobachtet hatte. Später bei den Dreharbeiten war Uta sehr hilfreich, die komplizierten Gerichtsszenen korrekt zu filmen. Eine grosse Hilfe war auch der Drehbuchautor Nico Woche, der für mich den Film Härte geschrieben hatte, den ich noch als Student an der Filmuni in Potsdam kannte. Nico Woche arbeitet seitdem mit mir intensiv an meinen Projekten.

über die beeindruckende Leistung der Schauspieler*innen

Die Hauptdarsteller des Films, Bozidar Kopcevski und Heiner Bomhard, haben sich als ein grosser Glücksfall herausgestellt. Ich hatte mit ihnen mein autobiografisches Musical Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht im Deutschen Theater inszeniert, das dort seit zwei Jahren erfolgreich läuft. Beide sind grosse komödiantische Talente und zuerst war ich mir nicht sicher, ob sie die Richtigen wären für ein sehr ernstes Drama, wie es Darkroom sein sollte. Ausserdem war es für sie auch die erste grössere Filmrolle. Bei den Recherchen wurde mir ein Polizeivideo zugespielt, in dem man den authentischen Täter bei der Befragung an den Tatorten sieht und es war erstaunlich, wie ähnlich Bozidar dem Täter war. Bei dem Dreh stellte sich heraus, dass beide Hauptdarsteller genial waren, höchst konzentriert und voller Einfälle. Das ist sehr wichtig in meiner Filmarbeit, denn ich bin kein autoritärer Regisseur, der alles im Kopf hat. Ich brauche die Fantasie und die Spontanität meiner Darsteller. Hinzu kam Katy Karrenbauer, die ich sehr schätze, und die in meinem Film Härte viel Mut gezeigt hat. Als Staatsanwältin konnte sie herrlich böse sein.

Mit 77 Jahren ist er weit davon entfernt, seiner künstlerischen Laufbahn ein Ende setzen zu wollen!

Darkroom ist für mich ein befriedigendes Alterswerk. Ich glaube, dass man heute auch böse Schwule zeigen kann, nachdem die Schwulenbewegung viel Positives verändert hat. Mein übernächster Film wird über die homoerotische Freundschaft von Hitler zu seinem Jugendfreund in Linz und Wien sein – hoffentlich ein Skandal, der zu meinem 80. Geburtstag 2022 ins Kino kommen soll. Ich hoffe, dass mein Publikum mir bis dahin treu bleibt.

Von Rosa von Praunheim; mit Bozidar Kocevski, Heiner Bomhard, Katy Karrenbauer; Deutschland; 2019; 89 Minuten.

Kinostart in Deutschland: 30. Januar 2020

Malik Berkati

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