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Karlovy Vary 2025 : Put Your Soul on Your Hand and Walk von Sepideh Farsi – Der Tod einer Journalistin im Rampenlicht

Bereits bevor die diesjährige Edition des Cannes Film Festivals begann, startete der Medientumult aus aktuellem Anlass um den Dokumentarfilm Put Your Soul on Your Hand and Walk der iranischen Dokumentarfilmerin Sepideh Farsi. Seit dem Beginn der israelischen Militäroffensive nach der Hamas-Attacke starben in Palästina mehr als 60.000 Todesopfer, darunter über 200 Journalisten. Die 25-jährige Photojournalistin Fatma Hassona ist eine unter ihnen. Ihre letzten Monate dokumentierte im Online-Dialog die iranische Filmemacherin Sepideh Farsi. Dieses beeindruckende Porträt kam nun nach Karlovy Vary.

— Fatma Hassona et Sepideh Farsi – Put Your Soul on Your Hand and Walk
Foto mit freundlicher Genehmigung ACID

Fatma war seit über 200 Tagen per Smartphone die ständige Gesprächspartnerin der exilierten iranischen Filmemacherin Sepideh Farsi. So entstand ein filmisches, fast intimes Porträt dieser Frau in der Todeszone, für die Farsi der einzige Kontakt zur Aussenwelt war, mehr als das entstand eine nahezu Mutter-Tochter-Beziehung zwischen den beiden Frauen mit unterschiedlichen, doch stark von Gewalterfahrungen geprägten Schicksalen.

Einen Tag, nachdem Farsi der jungen Frau, die Gaza ihr Leben lang nie verlassen hat, mitteilen konnte, dass ihr gefilmtes Porträt in Cannes Parallelsektion, der „Association du cinéma indépendant pour sa diffusion (ACID)“, gezeigt werden würde, wurde Fatma Hassona zusammen mit sieben Familienmitgliedern bei einem israelischen Bombenangriff getötet. Farsi hatte ihr noch – wohl etwas naiv – in Aussicht gestellt, nach Cannes kommen zu können. Fatma reagierte mit grossen Zweifeln, ob dies möglich sei.

In der Tat fasziniert in diesem filmischen Porträt, das visuell zum grossen Teil den Blick beschränkt auf das der Kommunikation dienende Smartphone, die unglaubliche Energie, man muss fast sagen Lebensfreude, dieser jungen Frau, die sich auf jeden vom Vernichtungskrieg entfernenden Aspekte des Lebens mit enthusiastischer Energie stürzt. Befragt spricht über ihren Alltag, ihre Familie, ihre Katze, ihre Träume für die Zukunft, ihren Wunsch, reisen zu können, um eine andere Welt zu entdecken als die der permanenten Todesdrohung.

Bewusst scheint es Farsi zu vermeiden, Hassona auf traumatische Erfahrungen der unmittelbaren Vergangenheit direkt anzusprechen. Es wäre hypokrit und deplatziert, eine Photojournalistin in diesem Total-Destroy-Kontext nach ihren journalistischen Erfahrungen und Recherchen zu befragen. Dagegen lernen wir eine Frau kennen, die selbst unter den schmerzhaftesten Lebensumständen nie ihr Lachen verliert, ihre Energie der emphatischen Zuwendung und ihren Glauben an etwas neben und nach der Zerstörung. Doch wir sehen auch, dass diese Energie im Lauf der 200 Tage schwächer wird und Fatma sich in einen mentalen Schutzraum zurückzuziehen scheint. Der Zuschauer wird Zeuge der Konsequenzen des beginnenden Hungerns.

Schon in ihrem 2022 entstandenen Werk Daughters of Iran nutzte Farsi im Netz zirkulierende Handyvideos, um die iranischen Proteste nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini zu dokumentieren. Auch in ihrem aktuellen Werk erschweren die durch die schlechte Internetqualität verursachten Abbrüche und Verzögerungen die Kommunikation. Im starken Kontrast hierzu stehen die Einblendungen von Hassonas eigenen Fotografien, Aufnahmen, die Tod und Überleben zeigen, die jedoch gleichfalls immer wieder inmitten der Zerstörung die Kraft eines menschlichen Antlitzes erscheinen lassen.

Auch in die Smartphone-Kommunikationen der beiden Frauen dringende Laute von explodierenden Bomben und Militärhubschraubern ein. Einmal dreht Hassona ihr Smartphone und richtet es auf die Ruinen eines Nachbarhauses, dass Sekunden zuvor dem Boden gleich gemacht worden war. Dann wieder folgen Sequenzen, in denen Hassona ihre eigenen Gedichte und Songs zitiert und intoniert. Diese Kreationen wirken wie Flammenwürfe über den Abgrund.

Nach ihrem Tod zitiert Sepideh Farsi in einem TV-Interview des Senders „France 24 Perspective“ einen Text der jungen Frau, der ihren eigenen Tod vorwegnimmt:

„I want the whole world to know that the death of Palestinians now means that an extended vengeance will grow and burn its killers, his brother, who was silent about his killing and the knife to cut his neck. And I want the whole world to know that my death means that the world losing itself in front of me, in front of us, in front of itself. What kills me was not a bullet, not a shrapnel, not even a missile, what killed me every day… is the oppression from all those who remained silent when they should have been screaming.“

Von Sepideh Farsi; Frankreich, Palästina, Iran; 2025; 110 Minuten.

Dieter Wieczorek, Karlovy Vary

Hier die Kritik von Malik Berkati, die während des Filmfestivals von Cannes auf Französisch verfasst wurde.

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Dieter Wieczorek

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