Berlinale 2022 – Perspektive Deutsches Kino: Schweigend steht der Wald von Saralisa Volm – Der Wald birgt ein dunkles Geheimnis
Saralisa Volm, vor allem als Schauspielerin bekannt, die ihre Karriere in Filmen von Klaus Lemke begonnen hat, arbeitet aber auch als Produzentin mit ihrer eigenen Firma und als Moderatorin einer Erotikfilmreihe bei Tele5. Für ihr Regiedebut hat sie sich ein Buch des Bestsellerautors Wolfram Fleischhauer ausgesucht, der auch das Drehbuch verfasste. Die Mischung aus Thriller, Horrorfilm und Gesellschaftskritik ist ambitioniert und spannend zugleich.
Weiden, ein kleiner Ort in der Oberpfalz, 1999. Die Studentin Anja Grimm (Henriette Confurius) kehrt für ein Forstpraktikum an den Ort zurück, wo zwanzig Jahre zuvor ihr Vater, Lehrer und ebenfalls Kartograf, spurlos verschwand. Sie soll dort den Wald kartieren. Bodenproben auf einer Lichtung weisen ungewöhnliche Kalkablagerungen auf, was für tiefe menschliche Grabungen spricht. Als sie auf die Lichtung zurückkehrt, um es noch einmal zu überprüfen, wird sie von Xaver (Christoph Jungmann) mit einem Gewehr bedroht, obwohl der sie kennen müsste, hat er doch mit ihr als Kind gespielt. Bei dessen Schwester Waltraud (Johanna Bittenbinder) trifft sie auf Rupert (Noah Saavedra), ihren Freund aus Kindertagen. Als der mit ihr zum Gehöft von Xaver geht, um ihn zur Rede zu stellen, finden sie die Leiche seiner Mutter und einen blutverschmierten Xaver. Dieser wird verhaftet und in eine psychiatrische Einrichtung gebracht. Schon beim Verschwinden des Vaters war Xaver unter Verdacht. Als sie weiter nachforschen will, schlägt ihr Feindseligkeit von allen Seiten entgegen.
Der Kommissar Konrad Dallmann (Robert Stadlober) soll den Fall wieder aufrollen. Der ist eigentlich korrekt, kuscht jedoch vor seinem Vater Gustav (August Zirner), der in seiner Zeit als Kommissar Ereignisse aus der Nazizeit und den Mord am Lehrer zu vertuschen half. So wird die Leiche an einem Ort gefunden, an dem sie nach der dortigen Fauna nicht gelegen sein kann. Als Xaver sich umbringt, scheint der Fall abgeschlossen. Doch Anja bleibt der Sache auf der Spur. Auch die anderen Einwohner verhalten sich immer ablehnender. Selbst ihr Freund Rupert will sie loswerden, will er doch einen Märchenwald mit Wipfelpfad bauen und so der Pleite entgehen.
Man kann Saralisa Volm zwar vorwerfen, dass sie der Fernsehdramaturgie verhaftet bleibt, aber ihr ist ein Film mit einer gruselig-düstern Atmosphäre gelungen. Im Wald als eigentlichem Hauptdarsteller wabern die Nebel, die Würmer kriechen und man hat ständig das Gefühl, das hier vergraben liegt, was nicht hingehört. Die Kameraführung von Roland Stuprich und die teils blutigen Effekte und ein Traum in dem Anja sich in einen Wolf verwandelt, sind sehr effektiv. Auch das Thema der Todesmärsche in der Endphase der Konzentrationslager und die Massengräber im Wald, die ja tatsächlich stattgefunden haben, werden so ins Gedächtnis gerufen. Und ein so konsequent böses Ende hat man auch nur selten gesehen. Man darf auf zukünftige Filme von ihr durchaus gespannt sein.
Ein weiteres Plus sind die prominenten Schauspieler, die überzeugen. Vor allem Henriette Confurius ( Die geliebten Schwestern, Tannbach, Das Mädchen und die Spinne) brilliert in ihrer Rolle. Robert Stadlober, einst ein Jungstar des deutschen Films, um den es ruhig geworden ist, kommt hier mal wieder in einer grösseren Kinorolle zum Zuge. Und Henriette Confurius macht ihrem Rollennachnahmen Grimm alle Ehre: Sie erzählt Rupert in der Kneipe eine völlig neue Version des Märchens Hänsel und Gretel und enttarnt es als widerliche, überzuckerte Pogromstory.
Von Saralisa Volm; mit Henriette Confurius, Noah Saavedra, Augast Zirner, Robert Stadlober, Johanna Bittenbinder, u.a.; Deutschland; 2022; 93 Minuten.
Harald Ringel, Berlin
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