j:mag

lifestyle & responsible citizenship

Berlinale 2025Cinéma / KinoCulture / KulturRecit / Bericht

Berlinale Special 2025 – Alles dabei: Von der Science Fiction-Grossproduktion bis zum politischen Dokumentarfilm

Der wohl teuerste Film im Programm war Mickey 17. Der koreanische Regisseur Bong Joon-Ho zeigt in seinem ScienceFiction-Film (dem Nachfolger des Oscar-gekrönten Parasite), wie weit es gehen könnte in der Zukunft und bleibt damit seinem Hauptthema, dem Humanismus und was passieren kann, wenn die Reichen und Mächtigen alles machen können, treu. Mickey Barnes (Robert Pattinson) muss vor Schuldeneintreibern fliehen und meldet sich zu einer Mission ins All, bei der ein entfernter Planet kolonialisiert werden soll. Er liest das Formular, das er unterschreibt, jedoch nicht, und wird so zu einem Expendable, einer Person, deren Gehirn gespeichert, der Körper getötet und im Feuer entsorgt und dann in einem Printer immer wieder ausgedruckt wird. Ein ideales Versuchskaninchen, mit dem man alles machen kann. Als Ausformung 17 von Ureinwohnern des Planeten (käferähnliche Kreaturen, Creeper genannt) gerettet wird, trifft er auf den bereits vorhandenen Mickey 18. Doch Doubletten sind verboten. Aber Mickeys Freundin (Naomie Ackie) findet Gefallen an zwei in der Persönlichkeit unterschiedlichen Liebhabern. Als die wahnsinnigen Chefs der Mission (genial als Egomanen: Mark Ruffalo und Toni Collette) ein Junges der Creeper töten und ein zweites gefangen nehmen, droht ein Krieg auszubrechen, den nur beide Mickeys zusammen verhindern können. Bong Joon-Ho mischt hier die typische Blockbusterhandlung mit viel Satire und der für ihn typischen Gesellschaftskritik. Und was wieder auffällt: macht Bong seine koreanischen Filme immer als satirische Dramen, nutzt er bei seinen internationalen Filmen die hohen Budgets für viele Special Effects, gigantische Sets und viele internationale Schauspieler, bleibt aber bei beiden Filmformen seinen kritischen Zielen treu.  Der Film startet 6.3. überall im Kino.

— Robert Pattinson – Mickey 17
© 2025 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved

In Köln 75 erzählt der Regisseur Ido Fluk die wahre Geschichte von der 18-jährigen Vera Brandes (Mala Emde). Die Schülerin ist Jazzfan und im ständigen Streit mit den Eltern (stark wie immer Ulrich Tukur als Vater) und ihrem Loser-Bruder. Als sie für einen Jazzer eine Konzerttour organisieren kann, nimmt sie sich eine Wohnung/Büro und wird zur Konzertpromotorin. Als sie beim Berliner Jazzfest Keith Jarrett sieht und seine einmalige Art der Solo-Improvisation am Klavier faszinierend findet, beschliesst sie ein Konzert in der Kölner Oper mit ihm zu veranstalten. Doch die 10000Mark Opernmiete im Voraus muss sie von ihren Eltern borgen. Und bekommt es unter der Voraussetzung, wenn sie es nicht zurückzahlen kann, muss sie Zahnärztin werden. Als der geforderte Flügel nicht zur Verfügung steht, gibt es neue Probleme. Der Film steht und fällt mit seinen Darstellern. Mala Emde ist grandios mit Energie und Charme in ihrem Porträt der Vera, John Magaro gibt den Keith Jarrett ebenso überzeugend wie Alexander Scheer dessen Manager. Und der Film schafft es bis zum Schluss spannend zu bleiben, ob das Konzert stattfindet, obwohl man das ja weiss. Schliesslich ist das Konzert berühmt und die Plattenaufnahme das meistverkaufte Solojazzalbum aller Zeiten. Die echte Vera Brandes, die ein eigenes Plattenlabel gründete und Konzertveranstalterin blieb, unterstützte den Film und ist am Schluss auch kurz zu sehen. Der Film startet in Deutschland am 13.3.

Der Berliner Regisseur Tom Tykwer eröffnete zum dritten Mal die Berlinale. Sein neuer Film Das Licht ist nur schwer zu greifen. Der Film hat zwar mehrere Handlungen, interessiert sich aber viel mehr für verschiedenste Formen des Films und der Effekte. So gibt es Musical-Szenen genauso wie Animationen, Videospielteile, absurd wirkende Gespräche oder eine durch die Luft fliegende Darstellerin, wie im Hongkong-Actionfilm. Und es gibt Geister in einem als Abschiebeverlies zu deutendem Raum, was einem erst am Schluss klar wird, genauso was es eigentlich wirklich mit dem Licht der syrischen Haushälterin zu tun hat, obwohl man das nur ahnt. Genau das macht den Film sehenswert. Als die dysfunktionale Familie um Vater Tim (Lars Eidinger), der Slogans für einen Thinktank entwirft und Mutter Milena (Nicolette Krebitz), die mehr in Nairobi als in Berlin ist, um ein Theater in einem Slum zu bauen (Christoph Schlingensiefs afrikanisches Opernprojekt stand da wohl Pate) eine neue Haushälterin braucht, wird die Syrerin Farrah (Tala Al-Deen) eingestellt. Die sucht Zugang zu beiden, genauso wie zu den Zwillingen, Frieda (Partygirl und Umweltaktivistin) und Jon (Profigamer, stets nur in seinem Zimmer). Doch eigentlich verfolgt sie andere (fantasymässigere) Ziele. Der vielleicht etwas zu lange Film (162 Minuten) ist ein so vorher nicht gesehenes Erlebnis, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen. Er startet in Deutschland am 20.3.

In Lurker zeigt Alex Russell die Geschichte zweier unterschiedlicher junger Männer. Ein gelangweilter Klamottenverkäufer (Theodore Pellerin) lernt im Laden einen Musiker (Archie Madekwe) kennen, der kurz vor dem Durchbruch steht. Er tut so, als ob er ihn vorher nicht kannte und schafft es so in den Freundeskreis des Musikers zu gelangen und soll schliesslich sogar einen Dokumentarfilm über ihn drehen. Doch macht er den Fehler, einen anderen Mitarbeiter des Ladens zu einer Party mitzunehmen. Der hat gute Einfälle und macht ihm seinen Platz immer mehr streitig. Als er ihn mit einem Trick versucht loszuwerden, bekommt das die Managerin heraus und er wird nicht mehr gewollt. Durch eine Erpressung bleibt er dabei und schafft es der Musiker zum Star zu machen und selbst gelobter Dokumentarfilmer zu werden. Sozusagen eine Umkehrung der Abhängigkeiten beider Personen mit überraschend positivem Ausgang.

In A Complete Unknown erzählt Regisseur James Mangold die Geschichte der frühen Jahre des Musikers Bob Dylan. Der wird gespielt von Timothée Chalamet und singt auch die Songs alle selbst. Dylan kommt 1961 ins New Yorker West-Village und will seinem grossen Vorbild Woody Guthrie nahekommen. Der ist todkrank und empfängt ihm an seinem Krankenhausbett. Dort lernt er den Folksänger Pete Seeger (Edward Norton) kennen, der ihn zunächst zu seiner Familie mitnimmt und später auch in einem Club Joan Baez (Monica Barbaro) vorstellt. Selbst seiner Freundin, der Malerin Sylvie Russo (Elle Fanning) gibt er nicht viel über sich Preis. Auch seinen echten Namen Robert Zimmerman erfährt sie nur durch Zufall.  Als er eine Affäre mit Joan Baez beginnt, wird alles komplizierter. Als er sich mit E-Gitarre vom reinen Folksong abwendet, setzt er dies auch gegen seine Freunde wie Pete Seeger durch. Ein Film über einen Mann, der stets seine persönlichen Belange und Freiheiten über alles andere stellt, was ihn nicht besonders sympathisch macht. Und in den Szenen, in denen Dylan auf Johnny Cash trifft, merkt man, dass die Sympathien des Regisseurs sehr bei Cash liegen. Schliesslich wurde er ja auch mit dem Cash-Biopic Walk The Line endgültig weltbekannt. Der Film startet am 27.2. in Deutschland.

In Heldin zeigt die Schweizer Regisseurin Petra Volpe den Alltag der Krankenpflegerin Floria in einem Hospital. Gespielt wird Floria in gewohnt gekonnter Weise von Leonie Benesch, die in den letzten Jahren immer mehr zu einer der grossen Darstellerinnen in Deutschland wird und vermehrt auch in internationalen Produktionen mitwirkt. Alles, was so in einer normalen Arbeitsschicht getan wird oder geschieht, wird hier gezeigt. Von Verrichtungen wie Spritzen setzten oder Blutdruckmessen oder dem Trösten von Angehörigen einer plötzlich Verstorbenen bis hin zum Problem mit dem Privatpatienten, der seinen Tee nicht schnell genug bekommt. Floria ist hier wie das Ideal einer Pflegerin, immer genau, mit Enthusiasmus bei der Arbeit und mit freundlichen Worten für ihre Patienten. Ja, sie singt sogar mit einer dementen Patientin. Aber von Anfang an wird klar, dass ihre Arbeit leidet, ja leiden muss, weil die Station stark unterbesetzt ist und zwei Krankenschwestern für die ganze Etage zuständig sind. Jeder Anruf verursacht zusätzlichen Druck, jede Tätigkeit muss immer schneller gehen im Laufe der Schicht. Und von den Ärzten ist auch keine wirkliche Hilfe zu erwarten. Die sind selber stark belastet.  So wird die alltägliche Handlung immer mehr zur stressigen Überbelastung, die zwangsläufig zu Fehlern führen muss. Dies ist im Spannungsaufbau inszeniert wie ein Thriller, was durch die Kameraarbeit von Judith Kaufmann und die Filmmusik von Emilie Levienaise-Farrouch noch unterstrichen wird. Eben dieses Fehlen von Pflegekräften und die daraus resultierende Überbelastung der noch Vorhandenen wird durch den Film in sehr unterhaltsamer Form kritisiert. Und die Zahlen des fehlenden Personals wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen. Der Film startet in Deutschland am 27.2.

Im Berlinale Special ebenfalls: Das Deutsche Volkhier Dieter Wieczoreks Kritik lesen

Hier eine ausführliche Kritik (auf Französisch – Malik Berkati) von Das Licht

Harald Ringel, Berlin

j:mag Tous droits réservés

Harald Ringel

Rédacteur / Reporter (basé/based Berlin)

Harald Ringel has 54 posts and counting. See all posts by Harald Ringel

Laisser un commentaire

Votre adresse e-mail ne sera pas publiée. Les champs obligatoires sont indiqués avec *

*