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Karlovy Vary 2025: About a Hero von Piotr Winiwicz – Werner Herzogs Provokation

In einer „Horizons“ Sektion stellt sich das IFF Karlovy Vary der Frage nach der Zukunft der Kreation.

About A Hero von Piotr Winiwicz
Bild mit freundlicher Genehmigung Karlovy Vary IFF

Werner Herzogs Statement „A computer will not make a film good as mine in 4500 years“ ist die provokante Wette, auf die der polnische Filmmaker Piotr Winiwicz in About a Hero sogleich reagierte und begann, ein KI-Programm namens Kaspar mit Patterns aus Werner Herzogs Filmen zu füttern und ein Skript anzufragen.

Aber was ist ein Werner Herzog Film? Was verbindet Gorbatschow – Eine Begegnung (Meeting Gorbachev) mit Aguirre, der Zorn Gottes oder um beim Dokumentarfilm zu bleiben, mit Grizzly Man und Theater of Thought. Zunächst wohl die insistierend kommentierende Stimme Werner Herzogs selbst, meist aus dem Off gesprochen, und genauer den Dokumentarfilm betreffend, ein explizites intensives Fragestellen und eine einfliessende Kommentierung neuer Fakten und deren Konsequenzen während des Vollzuges des Filmes.

Genau dies sind dann auch die wiedererkennbaren Elemente in Winiwiczs Werk, dass sowohl der Amsterdamer IDFA als auch nun dem Thessaloniki Documentary Festival bereits als Eröffnungsfilm diente. Es entfaltet sich eine Geschichte um den mysteriösen Mord eines KI-Programmierers, der isoliert und zurückgezogen an einem riskanten technologischen Projekt arbeitete. Immer neue Protagonisten treten ins Bild und liefern dem Zuschauer nicht nur unterschiedliche, sondern auch widersprüchliche Indikationen, die sich immer mehr zu einem polyphonen Labyrinth entfalten.

Das KI-Programm Kaspar entwarf ein Skript, dass daraufhin angepasst wurde. Gerne hätte man mehr erfahren über diese Anpassung. In der nun gelieferten Endversion sind auto-referienzielle Episoden ein weiterer Komplexitätsmehrwert. Zu Wort kommen sowohl der Filmemacher, der einem Advokaten sein Konzept erklärt, als auch die KI Kaspar, die sich weigert, dass der Regisseur ihr Skript ändert. Werner Herzogs Kunstego ist dabei allpräsent, nicht nur mit seiner Stimme, sondern auch körperlich inkarniert in Rückenansicht. Dessen zunehmendes Missbehagen an der zunehmend unfruchtbaren Komplexität der Narration, die beispielsweise auch eine Sexszene mit einem funktionierenden Toaster einbezieht, wir von ihm auf den Punkt gebracht: This is „more and more a increasing distorting translation of my identity“, gefolgt von seinem Zweifel, ob dies irgend etwas zu tun hat mit der „essence of my soul“.

Während die Sexszene durch einen Rabbiner als gutzuheissender und sinnvoller Akt kommentiert wird, ist Herzogs Bemerkung zu seiner Seele der Initiationspunkt, für eine philosophische Reflexion das Konzept der Seele betreffend.

Haupt- und Glanzstück in Winiewiczs Werk sind die faktischen Interviews mit Philosophen, Programmieren und Spezialisten der KI Technologie, die in den fiktionalen Rahmen integriert werden.

Das verbindende Element der beiden Ebenen ist die Hypothese, das der Mord des Wissenschaftlers in Verbindung steht mit der Programmierung seines Computers, der wahrscheinlich, aus Sicht eines Kollegen, eine „psychological extension of itself“, ein alter Ego, entwickelt hat, mit der Konsequenz, auch extreme Gefühle entwickeln zu können.

Bereits in der ersten Interviewsequenz stellt der Philosoph Boris Groys die Frage, ob Maschinen – interpretiert man KI als Maschine – wirklich denken und vernünftig sein können, wobei vernünftig hier auch heisst, den eigenen Tod wahrzunehmen. Diese Konfrontation mit dem eigenen Tod kann Menschen aggressiv machen. Maschinen kennen diese Endlichkeit nicht und sind daher friedvoller. Allerdings bleibt die schon in Kubrick „Odyssee“ gestellte Frage virulent, was passiert, wenn Maschinen ein Selbstbewusstsein entwickeln können und damit auch die Möglichkeit, sich – beispielsweise – energietechnischen Abhängigkeit oder ungewollte Interventionen durch Programmieren bewusst werden.

Die US-amerikanische Künstlerin Stephanie Dinkins erinnert daran, dass einen Computer mit Daten zu füttern nicht zur Folge hat, ihn zu kontrollieren. Wir können nicht voraussehen, wie Computer Daten interpretieren. Sie können Agentia (Verhaltens- und Reaktionsweisen) entwickelt, die weit smarter als menschliche sind. Sie fügt hinzu: Menschen sind nicht so smart wie sie glauben, sondern letztlich sehr simple.

Dieses Argument nimmt auch Stephen Fry auf, der nicht dagegen wetten würde, dass Maschinen nicht alle Fähigkeiten und Aspekte regenerieren können, die wir für typisch menschlich halten. Einmal generiert scheint es ununterscheidbar, ob sie natürlich oder programmiert sind. Mehr als das, auch der Mensch reproduziert lediglich Daten. Realität entsteht über die Interpretation und Fabrikation von sensuellen Signalen über gedanklichen Synthesen im Gehirn, in kulturell fixierten und dominierenden Kontexten.

Als Konsequenz dieser nicht mehr nachvollziehbaren Komplexität und Geschwindigkeit der KI denkt Fry nicht an eine Zerstörung menschlicher Existenz, sondern an deren Humiliierung. Was die Menschen für ihre Spezifität und ihren Exzeptionalismus halten, wird verloren gehen.

Zum Thema Seele merkt der Schriftsteller Charles Mudede (USA) lediglich an, wie uninteressant dieses Konzept einer zeitlosen unwandelbaren Instanz ist, die nichts mit dem Leben zu tun hat. Maschinen haben keine Seele. Menschen auch nicht.

Bleibt die Frage, selbst wenn Maschinen Gefühle regenerieren können, können sie eine Absicht verfolgen. Die Antwort scheint die gleiche: zumindest die der Selbsterhaltung, falls sich eine Bewusstseinsform bilden kann.

In der Abschlussszene kann Werner Herzog, nun auch als Deepfake vollkörperlich im Bild, der Infinity-Machine eine Frage stellen. Er wählt die nach dem Sinn des Lebens. Als die Maschine „Liebe“ antwortet, stürzt Herzog, der bereits vorher vorgab, sich für Liebe als wichtiges Thema nicht zu interessieren, erzürnt aus dem Raum und zieht das Hauptkabel des Computers.

In der Tat, Kaspars Script hätte sehr viel länger sein können. Seine Adaptation macht es zu einer überzeugenden Denkperle, aber nicht zu Herzog Film.

Von Piotr Winiewicz; Dänemark; 84 Minuten.

Dieter Wieczorek, Karlovy Vary

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Dieter Wieczorek

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