Von Malta lernen… 24 Internationale Filmproduktionen sind 2024 auf der Insel zu Gast
Steueranreize von 40 %, Sonne, und ein natürliches Licht, das den hellen Naturstein vor der Kamera zur Geltung bringt. Dazu zwei riesige Wassertanks auf dem Studiokomplex und attraktive historische Locations – Malta hat sich längst seinen Platz als attraktiver Drehort erworben. 24 Filme werden in diesem Jahr auf der Insel gedreht, darunter Ridley Scotts Gladiator 2, für den Ende Juni die erste Klappe fiel. Die Malta Filmkommission bereitete dem britischen Altmeister, der auch sein mit Spannung erwartetes Epos Napoleon unter anderem im mittelalterlichen Mdina gedreht hatte, erneut den Roten Teppich aus. Im Ford Ricasoli entstand das alte Rom samt Colloseum, auf dessen oberste Ränge weithin sichtbar aus dem Innenhof herausragen.
Das Studio auf Malta ist ausgelastet und wird ausgebaut, zu den zwei Wassertanks soll in den kommenden Monaten ein drittes, mit allen technischen Raffinessen ausgestattetes Bassin kommen. Vor allem ist Stimmung optimistisch. Film Commissioner Johann Grech hat die Unterstützung der Regierung für sein Vorhaben, den Filmstandort Malta noch attraktiver zu machen und Vollbeschäftigung unter den Crews bis 2030 zu schaffen. Weitere Arbeitskräfte in der Industrie werden dringend gesucht.
Schub für einheimische Filmemacher
Dieser Optimismus prägte auch die Stimmung auf dem 1. Mediterrane Film Festival auf Malta vom 25. bis 30. Juni 2023. Zum Herzstück wurde der Wettbewerb mit neun Titeln aus den EU-Anrainerstaaten des Mittelmeeres. Darunter bekannte Titel wie Saint Omer (Alice Diop, 2022) aus Frankreich, Italiens Nostalgia (Mario Martone, 2022) und Safe Place (Juraj Lerotić, 2022) aus Kroatien. Diese Titel machten gemeinsam mit Alma Viva (Cristèle Alves Meira, 2022) aus Portugal die Preisen zunächst unter sich aus. Lange sah es nach einem Kopf-an-Kopfrennen zwischen Italien (vier Preise) und Portugal (drei Preise) aus. In die Phalanx konnte nur Saint Omer (Preis für das beste Drehbuch) und Juraj Lerotic als bester Regisseur für Safe Place kurz einbrechen. Hollywood-Star Eric Bana blieb es vorbehalten, den letzten Preis zu verkünden: Die „Goldene Biene“ für den Besten Film geht an Berlinale-Gewinner Alcarras (Carla Simón, 2022).
Auch aus Malta wurden zwei Filme gezeigt. Im Wettbewerb Carmen mit Natasha McElhone. Sie spielt eine Frau jenseits der 50, die auf der Suche nach einem Neuanfang in ihrem Leben ist. Ausserhalb der Konkurrenz wurde Monstri gezeigt, eine wilde Mischung aus Horror- und Schauergeschichte mit Kriminalstory und Verschwörungstheorien. Dazu kamen die Galapremieren von Sebastian Erlenweins Unterwasser-Thriller Dive, der vor Malta gedreht wurde, und des Thrillers Deep Fear mit Ed Westwick.
Regierung steht hinter Ausbau der Filmindustrie
Mit solchen Premieren kommt der Glanz zurück, den die Stars auf der Insel geben. Die Stimmung auf der Insel unterscheidet sich grundlegend von dem Pessimismus und dem Stillstand in Deutschland. Wer über das Filmfest München ging und den zahlreichen Panels lauschte, hatte den Eindruck, die Branche stehe vor dem Zusammenbruch. Viele Nachrichten sind auch alarmierend. Das Studio Babelsberg stand nach dem Verkauf im Vorjahr und steht in diesem Jahr weitgehend leer. Hollywood-Stars verirren sich längst nicht mehr auf den Strassen von Görlitz und anderen Städten. Die technischen Betriebe sandten angesichts der Preissteigerungen bei den Fixkosten bei gleichzeitiger Kappung der Budgets einen Hilferuf. Sie befürchten zahlreiche Pleiten in den kommenden Monaten.
Aber vor allem lähmt der Streit um die Förderungssysteme und die ungewissen politischen und finanziellen Rahmenbedingungen die deutsche Branche. Der Entwurf des Filmförderungsgesetzes lässt seit Monaten auf sich warten und es kommen immer neue Ideen auf den Tisch, wer denn wie zur Kasse gebeten werden könnte. Und es wirkt schon ein wenig wie Hohn, wenn in Bayern weitere Nachwuchs- und Gleichstellungsprogramme aufgelegt werden, während Malta in die Infrastruktur investiert und mit dem Geld die einheimische Filmindustrie aufbaut.
Die Malteser Regierung fördert den Filmstandort, während sie in Deutschland gerne Sonntagsreden hält. Der Entwurf des Filmförderungsgesetzes ist seit Monaten überfällig, es gibt keine Entscheidung zur Zukunft von DFFF und German Motion Picture Fond und vor allem zu möglichen steuerlichen Anreizmodellen, die europaweit längst Standard sind.
Hollywood mach Bogen um Deutschland
Längst sind die Zeiten vorbei, in denen sich Hollywood in Babelsberg die Klinke in die Hand gab und deutsche Crewmitglieder dort Arbeit fanden. Auch auf Malta muss längst kein Produzent mehr eigene Crews mitbringen. Heute geht es längst um Weiterbildung und Professionalisierung, zu denen zahlreiche Masterclasses des Festivals beitrugen. Bis auf den letzten Platz war die Runde mit Eric Bana besetzt. Der Australier drehte auf der Insel Troja und Munich. Er plauderte locker über Rollenauswahl, Vorbereitung, Improvisation und sein Selbstverständnis als Star. Sei immer pünktlich und gut vorbereitet, sei einer seiner Leitplanken.
An seine Filme erinnern auf der Insel zahlreiche Schautafeln. Die Malteser sind stolz auf die Stars, die sich hier die Klinke in die Hand geben. Sie begreifen populäre Titel wie Games of Thrones auch als Chance, Touristen auf die Insel zu locken. Undenkbar in Berlin und selbst Görlitz, der Filmstadt Europas. Deutschland fehlt der Stolz auf seine Stars und seine Filme.
Katharina Dockhorn, Malta
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