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Locarno 2025 – Semaine de la critique: Flying Scent of Plants, People and Bumblebees von Antshi von Moos – Die Intelligenz der Pflanzen

Für Aristoteles stand der Mensch an der Spitze der Hierarchie des Lebens, während er Pflanzen als einfache Organismen definierte. Diese Fehleinschätzung wird hinreichend wahrscheinlich drei Jahrtausende später zur Selbstvernichtung des Homo sapiens führen, nachdem dieser schon Tausende andere Spezies von diesem Planeten ausgelöscht hatte.

Flying Scent of Plants, People and Bumblebees von Antshi von Moos
Foto mit freundlicher Genehmigung Locarno Film Festival

Antshi von Moos Dokumentarfilm Flying Scent of Plants, People and Bumblebees, präsentiert in der diesjährigen Semaine de la critique während des Locarno Film Festivals, beginnt mit einer Kamerafahrt durch einen dschungelartigen Garten. Die Filmemacherin sucht daraufhin engagieren Persönlichkeiten auf, die in unterschiedlichsten Formen, künstlerischen wie wissenschaftlichen, die wirkliche Komplexität der Pflanzenwelt erfassen wollen. Dies kann sich auf einfache Beobachtungen beschränken, wie es das Artistenduo Jörg Lenzlinger und Gerda Steiner in ihrer grossen Gartenfläche betreiben. Sie begreifen bereits diese Möglichkeit als grosses Geschenk. Ihren Schwerpunkt jedoch setzt Von Moos auf die forciert wissenschaftliche Pflanzenforschung, wie etwa die der Professorin Consuelo De Moraes, Leiterin der Biokommunikationsforschung an der ETH Zürich. Sie verbringt Nächte mit ihren Pflanzen, seitdem sie erkannte, dass wichtige Kommunikationsprozesse zwischen ihnen sich gerade nachts vollziehen. Die Komplexität dieser Kommunikationen entzieht sich dem blossen Auge. Doch Analysen von Geruchsabsonderungen scheinen hier ein viel versprechender Weg.

Die Kommunikationsstrukturen zwischen Pflanzen durch Wurzeln und Pilze sind unbestritten. Die Hypothese, dass Pflanzen mehr Sinne zur Verfügung stehen als die fünf dem Menschen bekannte, ist eine nun verfolgte faszinierende Hypothese. Tatsache ist, dass Hummeln durch Schäden, die sie Pflanzen zufügen, diese schneller zum Blühen bringen können. Hier tut sich ein kommerziell viel versprechendes Projekt auf, in das z.Z. viele Forschungsmittel fliessen. Die Suche richtet sich nach dem spezifischen Stoff, der ein Erblühen frühzeitig verursachen kann. Einmal identifiziert liesse sich dieser Stoff synthetisieren und fruchtbar gemacht werden für eine weitere Form der Naur-Ausbeutung.

Wir stehen erst am Anfang, dieses Kommunilationnetz zu verstehen, das zumeist unterirdisch stattfindet und dort vergleichbare Massen-Quantitäten involviert wie die sichtbaren Pflanzen- und Baummassen.

Bekannt ist bereits, dass Pflanzen spezifische Informationen übertragen, etwa wie und von wem sie beschädigt wurden. Nicht nur die eigenen Blätter, sondern auch die benachbarten Pflanzen erhalten diese Information. Daraufhin können Pflanzen einen Geruchstuff aussenden, der Insekten anzieht, die wiederum die Schädlinge der Pflanzen, beispielsweise Raupen, vertilgen.
Gewiss sollen diese Kommunikationen nicht anthropomorphisierend als „Bewusstsein“ interpretiert werden, als Intelligenz im Interesse der Selbsterhaltung jedoch zweifellos.

Mikroben kommunizieren unter sich sowie mit Pflanzen. 1/3 der Gene der Mikroben sind für die Kommunikation in Gebrauch. Pflanzen wiederum können mittels Mikroben (Mikrobiome) kommunizieren. Mikrobiome kreieren einen permanenten Fluss, der alles Lebendige miteinander verbindet.

Antshi von Moos nutzt den ständig grummelnden, wirbelten, impulsgeprägten Sound Pablo Jókay zur Unterstreichung der ständigen Interaktion innerhalb der Pflanzenwelt. Ihre Kamera ist zuweilen fokussiert auf grabende Hände, Würmer und Insekten in Nahansicht, und schwenkt dann wieder über zu Brutkästen, Labor- und Schutzräumen. Sie verbirgt nicht, dass sie angesichts dieser Pflanzenforschung ein Neuankömmling ist und nimmt auf diese Weise den Zuschauer mit auf ihre ersten Erkundungen in diese weitgehend unbekannte Welt.

Die letzten Passagen ihres Filmes stimmen nachdenklich. Industrielle Agrarwirtschaft und Monokulturen verarmen die Kommunikationsmöglichkeiten der Mikrobiome stark. Mehr als das, durch Pestizide und Pflanzenschutzmittel transformiert, verlieren die Pflanzen ihre eigenen Abwehrkräfte. Sie werden süchtig nach diesen Chemikalien.

Der Film endet mit einem Appell an mehr Fürsorge und Achtsamkeit auf das Leben und das Lebendige, an Biodiversifikation, Bodenschutz und Pflanzenschonung, an lokale Produktionsformen und Vertriebe. Doch die Machtpolitik geht in eine genau entgegengesetzte Richtung. Schwere Maschinen zerstören lebenswichtige pflanzliche Kommunikationen.

Aus den Limits unseres naturwissenschaftlichen Wissens werden falschen Konsequenzen gezogen. Statt angesichts dessen, was wir nicht wissen, zu zögern, wird das Unwissen ignoriert. Zu schweigen davon, dass erkenntnistheoretisch betrachtet naturwissenschaftliches Wissen als solches seine eigenen Grenzen hat.

Von Antshi von Moos; Schweiz; 2025; 66 Minuten.

Dieter Wieczorek, Locarno

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Dieter Wieczorek

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