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Berlinale 2022 Forum – La edad media (The Middle Ages): Cleo und die Pandemie – Eine Komödie in ungewöhnlichen Zeiten

Ein Haus in der Mitte einer Grossstadt. Eine Pandemie führt zum Lockdown. Das ganze Leben einer Familie spielt sich nur noch in den eigenen vier Wänden ab. Die Familie besteht aus dem Vater, dem Regisseur Alejo Moguillansky, seiner Frau, der Tänzerin Luciana Acuna und deren zehnjähriger Tochter Cleo. Cleo erzählt den Film aus ihrer Sicht und wird schnell zum Mittelpunkt. Als Sidekick fungiert der Windhundmischling Juana, der  wie ein mit Blicken kommentierender Beobachter immer wieder ins Bild kommt.

— : Luciana Acuña, Cleo Moguillansk, Alejo Moguillansky – La edad media (The Middle Ages)
© El Pampero Cine

Der Film wurde zwar während dem Lockdown in der Pandemie gedreht, ist aber kein Film über den Lockdown. Darauf legen die Regisseure, die sich selbst spielen, großen Wert. Der Film wurde produziert von der argentinischen Produktionsfirma El Pompeo Cine, von der Alejo Moguillansky ein Gründungsmitglied ist. Die Firma macht es sich zur Aufgabe in der Zeit des aufkeimenden Nuevo Cinema Argentino noch einen Schritt weiter zu gehen, und mit ihren Filmen experimentierfreudiger und innovativer zu werden, als bisher. So entstanden in den letzten 20 Jahren viele der besten argentinischen Filme durch diese Gruppe von Regisseuren, darunter das 5 Filme umfassende Langepos La Flor, das verschiedenste Genres mit denselben Schauspielern unter dem Obertitel vereint.

Auch La edad media gehört in diese Kategorie. Denkt man am Anfang noch, man hat es mit einem dokumentarischen Werk zu tun, bei dem man eigene und universelle Zustände gezeigt bekommt, wird schnell klar, dass es sich um eine zwar auf wahren Zuständen basierende Handlung bezieht, aber eine geschriebene Geschichte zur Komödie macht. Und diese macht Spaß beim Ansehen. Cleo möchte unbedingt ein Teleskop, um ihrer Leidenschaft für den Mond frönen zu können. Doch dieses kostet im Internet 4000 Pesos. Woher das Geld bekommen ? Als Geld von den Eltern verlangen, wenn sie ihre Hausaufgaben beim Internethomeschooling wirklich macht, nicht genug einbringt, tut sich eine neue Möglichkeit auf, als sie die Bekanntschaft mit dem Boten Moto macht. Warum nicht Gegenstände aus dem Haus, die keiner vermisst oder vermissen will, verkaufen. Dies läuft zwar gut, aber das Fernrohr wird immer teurer und so geht es immer weiter. Als das Teleskop endlich da ist, fällt es aber auch den Eltern auf. Das Ende, das hier nicht verraten werden soll, bietet eine Überraschung.

Durch zogen wird der ganze Film von Samuel Becketts Stück Warten auf Godot. Der Vater macht einen Videofilm mit einer Rentnerin fürs Internet mit dem Stück und Cleo, fasziniert von dem Text liest das Buch mit ihrem Hund und mit Moto. Auch in Filmhandlung und der Realität wird gewartet- auf das Teleskop, auf das Ende der Pandemie. Aber es wird auch die künstlerische Frage aufgeworfen, ob man nach der Pandemie zu dem zurückkehren kann, was vorher war. Und ist man durch das was man tut definiert? Und wenn man das nicht mehr tun kann, wer ist man dann?

Die Kameraarbeit des Films, die der Regisseur selber macht, sieht sehr gut  aus, und wirkt trotz Dreharbeiten unter Corona-Bedingungen sehr professionell. Die grosse Entdeckung des Films, die den ganzen Film trägt, ist Cleo Moguillansky. Sie spielt wie ein Profi und es macht Freude ihr zuzusehen. Wenn sie weiter in Filmen mitspielen wird, wird man noch viel von ihr hören.

Und wie es im Beckett-Zitat durch den ganzen Film heisst: Time she stopped. Dies kann man getrost als Motto des Films bezeichnen.

Dokumentarischer Spielfilm, Regie: Alejo Moguillansky, Luciana Acuna; Argentinien; 2022; 90 Min.

Harald Ringel, Berlin

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