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Berlinale 2023 – Bericht aus der Sektion Wettbewerb

Leider war der diesjährige Wettbewerb eher durchwachsen. Bei einigen Filmen fragte man sich warum diese im Wettbewerb gelandet sind und nicht einiges aus anderen Sektionen. Auch die Juryentscheidungen waren eher fragwürdig, so bekamen die Favoriten der meisten Kollegen gar keine Preise.

Roter Himmel bildete da eine Ausnahme. Der beste der 5 deutschen Filme im Wettbewerb gewann den Grossen Preis der Jury. So angenehm locker- leicht, ja komödiantisch, hat man noch keinen Film von Regisseur Christian Petzold erlebt. Zwei Freunde fahren an die Ostsee in ein Ferienhaus. Der eine Schriftsteller, der verbissen an seinem Buch arbeitet, der andere will seine Bewerbungsmappe fertigstellen, ist aber eigentlich mehr an Strand und Urlaub interessiert. Was sie vorher nicht wussten: sie müssen sich das Haus mit der Tochter einer Kollegin der Besitzerin teilen, die Eis am Strand verkauft. Der Schriftsteller ist genervt von ihr, weil er im Garten schlafen muss, wegen der lauten Sexgeräusche in der Nacht. Doch bereits als er sie das erste Mal sieht, ist er eigentlich in sie verliebt. Bald gesellt sich ein weiterer Bewohner dazu- der neue Freund seines Freundes. Doch es kommt zu Entdeckungen und Verwirrungen, als sein Verleger auftaucht. Der Waldbrand kommt immer näher und der Himmel wird rot. Der Film startet in Deutschland am 20.4. [hier eine Kritik von Malik Berkati auf Französisch].

— Cleia Almeida, Rita Blanco, Vera Barreto und Madalena Almeida – Mal Viver (Bad Living)
© Midas Filmes

Der Gewinner des Preises der Jury Mal Viver von Joao Canijo führt in ein altes Hotel in Portugal. 5 Frauen betreiben dieses und sind am Rande der Pleite. Als einer der Gäste die Tochter der Tochter der Besitzerin ist, kommt es zu bis dahin unterdrückten Spannungen. Aber auch die anderen Angestellten sind sich nicht immer grün. Gut gespielt von einigen der besten portugiesischen Schauspieler entwickelt sich der abgeschlossene Kosmos eines Hotels. Gezeigt wird vor allem die Seite der Besitzer und des Personals. Der Zwillingsfilm Viver Mal zeigt das Geschehen hauptsächlich aus der Sicht der Hotelgäste. Dieser Film lief bei Encounters.

20.000 especies de abejas der baskischen Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren verfolgt ein 8 jähriges Kind, die eigentlich ein Mädchen sein und von anderen auch zunächst mit dem Namen Coco, später mit Sophia angeredet werden will. Die Darstellerin Sofía Otero gewann zur Überraschung vieler den Darstellerpreis. Der Drehbuchpreis wäre da angemessener gewesen. Im Sommerurlaub bei ihrer Oma wird sie sich über vieles klar und wird von ihrer Oma in die Bienenzucht eingeführt. [hier eine Kritik von Malik Berkati auf Französisch].

Der Bärenfavorit von fast allen war Past Lives und wurde bei den Preisen völlig übergangen. Die koreanisch- amerikanische Bühnenautorin Celine Song legt mit ihrer eigenen Lebensgeschichte ihren ersten Film vor. Und was für einen. Nora und Hae Sung sind Kindheitsfreunde und ineinander verliebt. Ihre Eltern, die sich eine grosse Künstlerkarriere in Amerika versprechen, wandern mit ihr nach New York aus. Doch beide denken immer wieder aneinander. Jahre später findet Nora eine Suchanfrage von Hae Sung, der im Internet nach ihr sucht. Daraus entwickeln sich viele Zoomgespräche per Skype über lange Zeit. Doch da er nicht nach New York kommen will und sie nicht weg kann bricht sie den Kontakt plötzlich ab. Nach 20 Jahren fliegt er, frisch getrennt von seiner Freundin,  nach New York. Beim Treffen mit Nora kommen bei beiden alte Gefühle wieder hoch. Doch Nora ist verheiratet und zufrieden mit ihrem Leben. Wie sich nun entscheiden? Ein ruhig erzählter Film mit starken Schauspielern und einer guten Geschichte.

— Greta Lee und Teo Yoo – Past Lives
© Jon Pack

Ebenso nicht bedacht wurde Tótem von Lila Aviles. Die Familie, Freunde und Verwandte treffen im Haus des jungen Malers Tona für eine grosse Geburtstagsfeier zusammen. Doch der Geburtstag ist gleichzeitig der Abschied von ihm. Er hat Krebs und wird bald sterben. Zunächst bei den Vorbereitungen und dann beim Fest merkt seine kleine Tochter, dass mit ihm etwas nicht stimmt. So darf sie ihn während den Vorbereitungen nicht sehen, da er sich ausruhen muss. Sie hat da bereits Angst, dass der Papa sterben wird. Naima Senties spielt die Tochter extrem ausdrucksstark und man kann viel in ihrem Gesicht ablesen. Von ihr wird man noch viel hören. Der berührende Film hat einen deutschen Verleih gefunden und wird im Kino anlaufen.

Auch die beiden starken Australier blieben ohne Preis. In The Survival of Kindness von Regiealtmeister Rolf de Heer wird eine alte Frau in einem Käfig zum Sterben in der Wüste ausgesetzt. Lebensmittel sind knapp und es herrscht Krieg zwischen den überlebenden Weissen und den australischen Ureinwohnern und anderen Ethnien. Horden töten mit Gasmasken auf dem Kopf. In Tarnung zieht sie durch Wüste, Berge und die Stadt. Bis sie zu ihrem toten Mann zurückgekehrt ist. Der Endzeitfilm, der vor allem den Rassismus aufzeigt, punktet vor allem mit der erstklassigen Hauptdarstellerin Mwajemi Hussein, die zuvor noch nie vor der Kamera stand und laut eigener Aussage auch noch nie einen Film gesehen hatte. Stark, auch wenn das böse Ende frustriert. [hier eine Kritik von Malik Berkati auf Französisch].

Auch Limbo von Ivan Sen beschäftigt sich mit Rassismus gegenüber den Ureinwohnern. Travis Hurley (der beliebte Serienstar Simon Baker aus Der Mentalist). Kommt in seine alte Outback-Kleinstadt zurück, um nach 20 Jahren den Mord an einer Aboriginal- Frau aufzuklären. Doch die Kommunikation zwischen ihm als weissem Cop und den schwarzen Verdächtigen erweist sich als schwierig. Das alte Bekannte in den Mord verwickelt scheinen, macht es auch nicht einfacher. Der in bestem Schwarz-Weiss gedrehte Film lässt die Zeiten des Film Noir wieder auferstehen.

— Simon Baker und Natasha Wanganeen – Limbo
© Bunya Productions

Das Anime Suzume des japanische Regisseurs Makoto Shinkai, der als Nachfolger von Hayao Miyazaki gilt, der vor gut 20 Jahren den Golden Bären gewann ist Kino pur. Die Mischung aus Fantasy, Märchen und Liebesgeschichte erzählt in schönen Breitwandbildern die Geschichte der 17jährigen Suzume, die von einem Jungen fasziniert diesem folgt, und auf die Tür, die in eine unter Japan liegende Parallelwelt führt, stösst. Doch sie befreit den Schlussstein, durch die der Wurm, der Erdbeben verursacht und den Weltuntergang bedeuten kann, in unsere Welt eintreten kann. Nun muss sie versuchen, die Welt zu retten. Begleitet wird sie von dem Jungen, der in einen redenden und laufenden Stuhl verwandelt wurde und einer sprechenden Katze, die eigentlich der Schlussstein ist. Der Film startet in Deutschland am 23.3.

Harald Ringel, Berlin

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Harald Ringel

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