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Auteur : Dieter Wieczorek

Cinéma / KinoCulture / KulturLocarno 2025

Locarno 2025 – Semaine de la critique: Grünes Licht (Green Light) von Pavel Cuzuioc – Sich dem Tod stellen

Es mag eine Überraschung für viele sein, dass ein medizinisch assistierter Suizid in Deutschland legal ist. Sowohl die Möglichkeit, sich das eigene Leben zu nehmen, sowie dabei Hilfe von Dritten in Anspruch zu nehmen, ist seit dem Jahr 2000 hier ausdrücklich legitim. Der deutsche Neuropsychiater Dr. Johann Spittler ist ein frei praktizierender Vertreter dieses Rechts. Der in der Sektion  „Semaine de la Critique“ des Locarno Film Festivals gezeigte Dokumentarfilm Grünes Licht des moldauisch-österreichisch-rumänischen Regisseurs Pavel Cuzuioc begleitet den Hilfespendenden auf seinen Wegen zu sehr unterschiedlichen Hilfesuchenden. Seine Aufgabe ist, Gutachten zu erstellen, um den Leidenden die nötigen Mittel für ihren Todeswunsch zur Verfügung stellen zu können und in den letzten Phasen gegenwärtig zu sein, oder in anderen Fällen, unter Anwendung einer den Wunsch bestätigenden Videoaufzeichnung während der letzten Minuten das mortale Mittel selbst zu applizieren. (…)

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Cinéma / KinoCulture / Kultur

Karlovy Vary 2025 : Put Your Soul on Your Hand and Walk von Sepideh Farsi – Der Tod einer Journalistin im Rampenlicht

Bereits bevor die diesjährige Edition des Cannes Film Festivals begann, startete der Medientumult aus aktuellem Anlass um den Dokumentarfilm Put Your Soul on Your Hand and Walk der iranischen Dokumentarfilmerin Sepideh Farsi. Seit dem Beginn der israelischen Militäroffensive nach der Hamas-Attacke starben in Palästina mehr als 60.000 Todesopfer, darunter über 200 Journalisten. Die 25-jährige Photojournalistin Fatma Hassona ist eine unter ihnen. Ihre letzten Monate dokumentierte im Online-Dialog die iranische Filmemacherin Sepideh Farsi. Dieses beeindruckende Porträt kam nun nach Karlovy Vary. (…)

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Cinéma / KinoCulture / Kultur

Karlovy Vary 2025: About a Hero von Piotr Winiwicz – Werner Herzogs Provokation

Werner Herzogs Statement „A computer will not make a film good as mine in 4500 years“ ist die provokante Wette, auf die der polnische Filmmaker Piotr Winiwicz in About a Hero sogleich reagierte und begann, ein KI-Programm namens Kasper mit Patterns aus Werner Herzogs Filmen zu füttern und ein Skript anzufragen. (…)

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Cinéma / KinoCulture / Kultur

Karlovy Vary 2025 – 120 000 Vermisste des kolumbianischen Bürgerkrieges appellieren an die mögliche Einheit der Nation

In seinem komplexen filmischen Essay in Form eines seines hybriden Dokumentarfilmes kehrt der kolumbianische Regisseur Federico Atehortúa Arteaga erneut zurück zur Interferenz zwischen Kolumbiens politischen Geschichte und des Filmmediums. Bereist in Pirotecnia (auch: Mute Fire) (2019) verfolge er die Entstehung einer nationalen kollektiven Identität durch mediale Mitteln seit den Anfängen des letzten Jahrhunderts. Dort thematisiert er ebenso den Gebrauch von gefälschten Bildern, die von der Armee getötete Jugendliche als Guerillakämpfer verkleidet zeigen, um einen scheinbaren Sieg im bewaffneten Konflikt vorzutäuschen. Im aktuellen in Karlovy Varys Internationalen Film Festival im Proxima Wettbewerb gezeigten Werk Forensics (Forenses) wird die Geschichte Kolumbiens erneut erzählt, diesmal fokussiert auf die etwa 120 000 Vermissten, Opfer zumeist des zivilen Krieges zwischen der Armee und den FARC. (…)

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Cinéma / KinoCulture / Kultur

Karlovy Varys Hauptpreis 2025 geht an ein das Aussenseitertum zelebrierendes Werk – Better Go Mad in the Wild

Bereits die erste Einstellung verblüfft. Ein graubärtiger Mann steht in einer sehr hohen Baumkrone und deklariert einen Text, der sein Leben und seinen Tod auf unserer Erde affirmiert. Sofort werden wir Zeuge eines nicht nur alternativen, sondern wirklich aussergewöhnlichen Lebens eines Zwillingsbrüderpaares fortgeschrittenen Alters. František und Ondrej Klišík, die ihre Geburtslandschaft Šumava, ein Naturschutzgebiet im Böhmerwald im Südwesten Tschechiens, nie verlassen haben. Sie verbrachten ihr Leben in einem kleinen Landhaus ohne Heizung, zusammen mit ihren Haus- und Nutztieren, die alle ihren Eigennamen haben. (…)

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Cinéma / KinoCulture / Kultur

Karlovy Vary 2025 – Der Krieg gegen die Natur: Im aktuellen Kriegstreiben wird selten von der Natur gesprochen, Divia schweigt hier nicht

In den ersten Minuten scheint der Zuschauer mit einem Naturfilm konfrontiert zu sein, der die Schönheit einer noch intakten Natur beschreibt, ein ungestörtes Pflanzen- und Tierleben, beobachtet aus Dronenperspektive. Schmetterlinge, Schwalben, Rehe, Bären und Hirsche unter sich, dies könnte Teil unserer Wirklichkeit sein. Das war sie erst. Doch die Realität sieht anders aus. Erste Bombeneinschläge werden hörbar, erste Brandanschläge sichtbar. (…)

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Cinéma / KinoCulture / Kultur

Physische Erkrankungen als gesunde Reaktion auf erkrankte Gesellschaften – Karlovy Varys International Film Festival würdigt die fragilen „Versager“

Eine junge Frau fährt mit ihrem Fahrrad durch eine Grosstadt. In dieser ersten Sequenz wird bereits ein Unbehagen spürbar. Die potenzielle Gefahr dieser banalen Fahrt durch eine grossstädtische Normalität wird amplifiziert durch den im Off erklingenden Bericht dieser Frau über ihren Unfall. Ihren physischen Schmerz empfand sie erst Stunden später, als ihr Zustand sich bereits zunehmend verschlimmert hatte. Dieses Ereignis macht ihr plötzlich bewusst, dass Mechanismen der Verdrängung bereits seit langem ihr Verhaltensmuster bestimmen. (…)

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Cannes 2025Cinéma / KinoCulture / Kultur

Cannes 2025 – Semaine de la Critique: Imago – Eine vorsichtige Reise zu den existenziellen Fragen des Lebens

Seit nunmehr 10 Jahren realisiert Cannes Festivals auch einen  Dokumentarfilmwettbewerb L’Œil d’or. In diesem Jahr ging der Hauptpreis an ein aussergewöhnliches intimes Werk, das ohne spektakuläre Effekte oder direkte Aktualitätsbezüge auskommt und Schritt für Schritt seine ganz eigenartige, in Erinnerung bleibende Wirkung entfaltet. Déni Oumar Pitsaev tastet sich in seinem Werk Imago, präsentiert in Cannes Semaine de la critique-Sektion, sehr vorsichtig und sich Zeit nehmend an die Schlüsselfragen menschlicher Existenz. Heimat, Verortung, Familie, Generationskonflikt, Mut und Versgagen, Verantwortung, Widerstand und Anpassung, kurz, hier wird letztlich der Sinn des Lebens selbst zum Thema. (…)

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Cinéma / KinoCulture / KulturRecit / Bericht

Schweigen als Strategie – Bei den Oberhausener Kurzfilmtage 2025 bleiben viele Fragen offen 

(…)Wenden wir uns lieber einigen preisgekrönten Filmen zu. Mit dem Hauptpreis der internationalen Jury gekrönt wurde Mikhail Zheleznikov (*1972, Leningrad) Film The Sq∞are (org. Dvorts∞vaya). Er schafft ein Werk über die Absurdität der Machtpolitik und dessen Inszenierung. Nach einer schwebenden Fahrradumkreisung des zu diesem Zeitpunkt fast leeren Palastplatzes (der ehemalige Petersplatz) in Sankt Petersburg schöpfte Zheleznikov aus einer Fülle von Archivmaterialien, um hier statthabende Massenaufläufe und Deklarationen über ein Jahrhundert hinweg zu dokumentieren. Da er sich für eine nicht-chronologische Aneinanderreihung der Manifestationen entscheidet, dechiffriert sein Werk die Inkonsistenz und Willkürlichkeit der offiziellen Machtpolitik, die andere Machtblöcke in wechselhaftem Spiel zu Feinden und Freunden erklärt. Machtpolitik erscheint als willkürliches, gewaltdurchtränktes Agieren, wie es grad gefällt. Mikhail Zheleznikov integriert auch Bildes des Protestes, selbst Versuche das Podium zu stürmen, samt deren Niederschlagung. Ist heute – diese Frage dringt sich auf – überhaupt noch eine von der „Strasse“ ausgehende Revolution denkbar? Zunehmend perfektionierte Überwachungstechnologien und militärisches Instrumentarium lassen daran zweifeln, gewiss nicht nur auf dem Palastplatz. (…)

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Cinéma / KinoCulture / Kultur

Die Nachstellungen des Faschismus: Fiume o morte! von Igor Bezinović

Das Rotterdammer IFFR zeigte ein überaus aufschlussreiches Werk zum Stand der nationalistischen Dinge.
Er war ein Poet, Theaterschreiber und Aristokrat, fasziniert von Heroismus und Pathos, und in dieser Funktion kam Gabriele D’Annunzio zum ersten Mal eingeladen in die heutige kroatische Küstenstadt Rijeka, die damals sich Fiume nannte. Diese Einladung war wohl nicht die beste Idee, denn derselbe Mann inszenierte, rebellierend gegen die durch den Pariser Friedenskonferenz 1919 erfolgte Zuteilung der Stadt an Jugoslawien, einen Privatkrieg für die Verteidigung der aus seiner Sicht italienischen Stadt, die Hunderten von Italieners, die nun auf beiden Seiten kämpfen, das Leben kostete. (…)

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