Berlinale 2020 – Panorama: O Reflexo do Lago (Amazon Mirror)
Der Amazonas gilt als der Traum jeden Brasilianers. Der Journalist und Kurzfilmer Fernando Segtowick begibt sich in seinem ersten langen Dokumentarfilm in die Region des Tucurui-Stausees. Inspiriert durch das Fotobuch O Lago Do Esquecimento (Der See der Vergessenheit) von Paula Sampaio, begibt er sich auf eine Reise durch die Region, um zu dokumentieren, wie sich die Gegend durch den Eingriff in die Natur verändert hat. Gefilmt wurde in Schwarz- Weiss, was oftmals sehr schöne Bilder der Gegend hervorbringt, auch mit vielen Aufnahmen aus der Vogelperspektive unter Zuhilfenahme von Drohnen.
Aluminiumproduktion ist die energieintensivste Metallherstellung überhaupt. 1980 beschloss die damalige Militärregierung eine Hydroelectric Plant, ein riesiges Wasserkraftwerk, zu bauen. Die Pläne stammten von einer Firma, die dies ursprünglicherweise in Japan durchführen wollte, aber nach dem dortigen Scheitern von den brasilianischen Militärs mit offenen Armen empfangen wurde. Diese wollte damit die Wirtschaft ankurbeln und ihre Kritiker mundtot machen. Da dies völlig übereilt passierte, wurden den Anwohnern Versprechen gemacht, die bis heute nicht erfüllt wurden. So sollten die Einwohner Solarpanele erhalten, um endlich eine vernünftige Stromversorgung zu gewährleisten, was aber nie geschah. Auch gab es keine vernünftig geplante Umsiedlung von Mensch und Tier, der Regenwald wurde nicht gerodet, sondern oft einfach überflutet. Die abgestorbenen Stämme der Bäume im Wasser zeugen davon und bescheren dem Film irritierend skurrile Bilder.
Der Regisseur verfolgt in seinem Film ein interessantes Konzept und spielt dort selbst eine wichtige Rolle. Man sieht ihn Anweisungen geben, seine Crew arbeiten, und er erklärt sein Konzept quasi beiläufig. So will er mit Bildern des Brasilan Nut-Trees (ein brasilianischer Nussbaum, der früher viele Leute ernährte und eine wichtige Einnahmequelle für die Bevölkerung aus der Region war), beginnen. Nur ist es gar nicht mehr so einfach solche Bäume in vernünftiger Art zu finden. Zwischen Dokumentaraufnahmen wie diesen will er Interviews mit den noch ansässigen Leuten montieren. Und dies geht gleich beim ersten Interview gehörig schief: der Interviewte ist sehr einsilbig und man bekommt nicht viel Brauchbares aus ihm heraus.
Faszinierend sind vor allem die alten Originalaufnahmen, die immer wieder eingestreut sind, und zeigen, wie es früher war. Im Laufe des Films ergibt sich aus den Aussagen der Bevölkerung und dem Vergleich der Aufnahmen von früher und heute ein Bild, wie sehr sich alles (zum Schlechteren) verändert hat. So konnte man früher problemlos mit dem funktionierenden Bahnnetz überall hinfahren, heute ist man für jeden Weg auf (das eigene) Boot angewiesen. Trotz allem versuchen die Menschen dort einigermaßen normal zu leben, was Bilder vom Bingo, von Partys und beim Fischen bezeugen.
Beendet wird der Film mit Bildern von Brandrodung in der Region, was zeigt, dass es heute noch genauso zugeht, wie früher. Nur wird heute nicht mehr das Land geflutet, sondern abgebrannt für die kurzfristige Gewinnmaximierung.
Von Fernando Segtowick; Bewohner der Stauseeregion, der Regisseur und die Crew des Films; Brasilien; 2020; 79 Minuten
Harald Ringel
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