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Berlinale 2021 – Berlinale Special: The Mauritanian (Der Mauretanier): Spotlight auf das Guantanamo-Gefängnis

Dieser Film beruht auf einer wahren Geschichte. Dieser Satz taucht mittlerweile bei extrem vielen Filmen im Vorspann auf, aber nur selten stimmt dies wie in diesem Fall. Regisseur Kevin Macdonald ist sowohl beim Spielfilm (Der letzte König von Schottland, State of play) als auch bei Dokumentarfilmen (Ein Tag im September, Marley) dafür bekannt, das er vor politischen Themen, auch wenn sie unpopulär sind, nicht zurückschreckt. Diesmal nimmt er sich der Geschichte des Mauritaniers Mohamedou Ould Slahi an, der kurz nach den Attentaten von 9/11 auf einer Hochzeitsfeier verhaftet wird und zunächst bis 2005 spurlos verschwindet. Der französische Schauspieler Tahar Rahim (Ein Prophet, Le PariDas Vergangene) spielt diesen Mann virtuos, ja man denkt, er ist der Inhaftierte.

— Tahar Rahim – The Mauritanian
© STX International / TOBIS

Als die Anwältin Nancy Hollander (Jodie Foster) im Jahr 2005 gefragt wird, ob sie der Familie Mohamedous helfen kann, nimmt sie den Fall pro bono (ohne Bezahlung) an. Sie hat schon oft Fälle der problematischen Art übernommen und scheut auch nicht vor Anschuldigungen gegen sich selbst zurück. Ihr ist es egal, ob ein Mandant schuldig ist oder nicht, denn jeder Mensch hat ein Recht auf Verteidigung. Die Verfassung gilt für alle. Bereits herauszufinden, ob er wirklich in Guantanamo gefangen gehalten wird, wird zum Problem. Die Regierung mauert, wie auch später bei allen Anfragen, mit der Begründung auf staatliche Geheimhaltung. Guantanamo liegt ja nicht zufällig vor Kuba, was nicht zu den USA gehört und nicht so leicht kontrolliert werden kann. Als sie mit ihrer Kollegin Teri Duncan (Shailene Woodley) auf Guantanamo landet, ist alles reglementiert, Gespräche werden aufgezeichnet (angeblich ohne Ton), ihre Notizen müssen zur Kontrolle abgegeben werden und die Zeit mit Mahamedou ist kürzer als normal. Nancy  nimmt ihn als Mandanten an, obwohl sie sich nicht sicher ist, ob er unschuldig ist, Teri mag den Mann, ist fasziniert von seinem Lächeln und glaubt ihm.

Was nun beginnt, ist ein Spiessrutenlauf über Jahre, um überhaupt an die Akten zu kommen. Sie werden zunächst verweigert, sind dann komplett geschwärzt und kaum zu gebrauchen. Und ihr Mandant ist seit Jahren nicht angeklagt worden, was nach der Verfassung nicht sein darf. Ihr Kontrahent der Anklage Stuart Couch (Benedict Cumberbatch) wurde der Fall zugewiesen, weil er sehr gläubig ist und immer auf der gerechten Seite steht. Er glaubt, was man ihm am Anfang sagt und das der Gefangene schuldig ist. Aber schnell kommen ihm Zweifel, da sich in allen Akten keine Beweise finden. Nun hat er dieselben Probleme wie Nancy und wird im Laufe der Zeit völlig desillusioniert und sogar zum Verräter gestempelt, als er den Fall abgeben muss.

Der Film zeigt, wie sich auf Grund von Vermutungen im Zuge des Terrorist-Act Grundrechte einfach ausser Kraft gesetzt werden und vermeintliche Terroristen auch mit Folter zu fragwürdigen Geständnissen gezwungen werden. Im Gegensatz zu  vielen anderen Hollywood-Produktionen, man denke nur an die Serie 24, in denen eher die Staatsmacht die Guten sind, werden hier  Foltermethoden wie Schlafentzug, erzwungener Sex oder Waterboarding zwar gezeigt, aber eher gesoftet und nicht  als Action-Vehikel. Und dies reicht völlig aus, um starkes Unwohlsein beim Zuschauer auszulösen. Auch die Rezeption vieler Menschen, wie man Orte wie Guantanamo wahrnimmt, bleibt nicht aussen vor. In einer Szene in dem sich Nancy und Stuart im Cafe des Souvenirshops (!) auf Guantanamo treffen, sagt sie, das auch Guantanamo in der Zukunft eine Touristenattraktion sein wird, wo Luxusliner einen Stop einlegen. Und diese Vernutung ist traurig, aber wahr.

— Jodie Foster – The Mauritanian
© STX International / TOBIS

Das ganz grosse Plus des Films sind neben seinem wichtigen Thema die Schauspieler. Neben Tahar Rahim, der seine Rolle grossartig meistert, sind auch die drei anderen Hauptdarsteller stark.

Jodie Foster, die ja 2018 sagte, dass sie nicht mehr spielen, sondern nur noch Regie führen wird, wurde dem positiver weise untreu und fügt ihren vielen starken Rollen (Taxidriver, Das Schweigen der Lämmer, Panicroom,…) eine weitere erstklassige hinzu. Ihre Anwältin, die nur für ihren Beruf und das Durchsetzen von Recht lebt, ist wirklich glaubhaft. Auch Shailene Woodley weiss zu überzeugen und zeigt alleine mit ihren Gesichtsausdrücken und vor allem den Augen, die Persönlichkeit ihrer Rolle. Bereits als Teenager mit Serien und dem George Clooney-Film The Descendents bekannt geworden, diversen guten Independent-Filmen oder Blockbustern wie der Bestimmung-Reihe, ist sie nun endgültig bei guten Charakterrollen angekommen. Und auch Benedict Cumberbatch beweist, dass er nicht nur Superhelden wie Doctor Strange oder Fernsehen wie Sherlock kann, sondern auch ein guter Darsteller in anderen Rollen ist.

Insgesamt ein sehr gelungener Film, bei dem sein Nachsatz, das von 779 Guantanamo-Gefangenen nur 8 überhaupt verurteilt wurden, von denen 3 dann auch noch die Berufung gewannen, zeigt, wie wichtig er ist, denn Guantanamo ist immer noch in Betrieb.

Von Kevin Macdonald; mit Tahar Rahim, Jodie Foster, Shailene Woodley, Benedict  Cumberbatch; Vereinigtes Königreich; 2021; 129 Minute.

Harald Ringel     

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Harald Ringel

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