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Deutsches Historisches Museum in Berlin: Öffnung der Wechselausstellung «Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert»

Die Museen in Deutschland öffnen nach und nach wieder ihre Türen; in einigen Bundesländern ist dies bereits ab diesem Montag der Fall, in anderen, darunter auch Berlin, am 11. Mai 2020.

— Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums
© Deutsches Historisches Museum/Thomas Bruns

Angelehnt an die Empfehlungen des Berliner Senats und unter Einhaltung der landesweit vorgeschriebenen Hygiene- und Schutzmaßnahmen öffnet das Deutsche Historische Museum ab 11. Mai 2020 in einem ersten Schritt die Ausstellung «Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert» für Besucherinnen und Besucher. Die Dauerausstellung im Zeughaus, das Zeughauskino sowie die Bibliothek und das Bildarchiv bleiben bis auf Weiteres geschlossen.

— Ausstellungsansicht Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert – Objekte aus der Schenkung Edna Brocke an das DHM.
© DHM/ Thomas Bruns

Tickets für die Ausstellung sind online ab dem 5. Mai mit einem verbindlichen Zeitfenster erhältlich. Ein sehr begrenztes Kontingent an Tickets ist vor Ort verfügbar. Im Deutschen Historischen Museum gelten die allgemein gültigen Abstands- und Hygieneregeln. Das Tragen einer Mund-Nasen-Maske ist Pflicht.

Von den Einschränkungen sind auch die Vermittlungsangebote des Museums betroffen. Führungen und Gruppenangebote finden derzeit nicht statt. Das geplante Film- und Begleitprogramm zur Ausstellung wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Stattdessen können Besucherinnen und Besucher die Themenschau zu Hannah Arendt im Pei-Bau individuell durch Hörführungen erkunden (das Mitbringen eigener Kopfhörer – 3,5 mm Klinkenstecker – wird empfohlen) und einen umfassenden Einblick in das Leben und Wirken der politischen Theoretikerin erhalten.

Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert

Das 20. Jahrhundert sei ohne Hannah Arendt gar nicht zu verstehen, meinte der israelischer Journalist und Schriftsteller Amos Elon. Arendt prägte massgeblich zwei für die Beschreibung dieses Jahrhunderts zentrale Begriffe: „Totale Herrschaft“ und „Banalität des Bösen“. Dabei blieben ihre Urteile selten unwidersprochen und die Politiktheoretikerin polarisiert immer noch.

— Hannah Arendt beim Eichmann-Prozess 2. Mai 1961, Jerusalem
© Washington D.C., United States Holocaust Memorial Museum, Courtesy of The Steven Spielberg Jewish Film Archives of the Hebrew University of Jerusalem

Am breitesten war die Kontroverse um ihr Buch Eichmann in Jerusalem, die weltweit geführt worden ist und in der Ausstellung einen ebenso breiten Raum einnimmt. Dessen Untertitel „Von der Banalität des Bösen“ und die damit verbundene Beurteilung Adolf Eichmanns führt bis heute zu heftigen Auseinandersetzungen über Denken und Person von Hannah Arendt. Darum steht diese Kontroverse auch im Zentrum unserer Ausstellung

erklärt Raphael Gross, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum.

Die Ausstellung Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert ermöglicht es, einem subjektiven Blick auf das 20. Jahrhundert zu folgen und ein Leben – und Werk – kennenzulernen, in dem sich die Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt: Totalitarismus, Antisemitismus, die Lage von Flüchtlingen, der Eichmann-Prozess, der Zionismus, das politische System und die Rassentrennung in den USA, Studentenproteste und Feminismus. Zu all diesen Themen äusserte Arendt dezidierte Meinungen und Urteile, die noch heute voller Sprengkraft sind.

Angesichts einer wachsenden Pluralisierung unserer Lebenswelten, eines beschleunigten Wertewandels und eines darauf reagierenden Bedürfnisses nach populistischen Lösungen nimmt die Ausstellung die Ausbildung der Urteilskraft in den Blick.

Die Ausstellung folgt Hannah Arendts Blick auf das 20. Jahrhundert entlang 16 zeithistorischer Themenpunkte. Zentrale Elemente sind Filmaufnahmen, etwa das berühmte Fernsehinterview mit Günter Gaus von 1964, sowie zahlreiche aktuelle Filminterviews u. a. mit der 2019 verstorbenen Philosophin Ágnes Heller, dem Politiker Daniel Cohn-Bendit oder der Kulturwissenschaftlerin Stefanie Lohaus. Darüber hinaus werden Arendts Kontroversen beleuchtet. Eine Hörcollage führt durch ihre Urteile und die daraus entstandenen Auseinandersetzungen.

Arendt berief sich auf kein Programm, keine Partei und keine Tradition. Das macht die Einordnung ihres Denkens schwierig und zugleich interessant: War sie eine Linke? Eine Liberale? Eine Konservative?

fragt Monika Boll, Kuratorin der Ausstellung.

In der Präsentation wird deutlich, wie Hannah Arendts Stellungnahmen heutige Diskurse prägen. Die Aktualität ihres Denkens kennzeichnen etwa ihre Überlegungen zum prekären Status von Flüchtlingen, die auf ihre eigenen Fluchterfahrungen zurückgehen. Ebenso verweist Arendts Tätigkeit für die Jewish Cultural Reconstruction ab 1949 in New York auf aktuelle Debatten über die Provenienzforschung. So bestand die Aufgabe der Organisation darin, von den Nazis geraubtes Kulturgut ausfindig zu machen und in die USA sowie nach Israel zu überführen.

— Einbürgerungsurkunde von Hannah Arendt 10. Dezember 1951, New York
© Washington D.C., The Library of Congress, The Hannah Arendt Papers

Neben den Auseinandersetzungen mit ihrem intellektuellem Werk, rückt die Themenschau Hannah Arendt als Persönlichkeit in den Mittelpunkt. Eine Station der Ausstellung ist dem Fotografen Fred Stein gewidmet, dessen markante Porträts Arendts visuelle Rezeption stark beeinflusst haben. Dank einer umfangreichen Schenkung von Edna Brocke, der Nichte Hannah Arendts, an das Deutsche Historische Museum präsentiert die Schau zahlreiche persönliche Gegenstände von Hannah Arendt.

Zusätzlich zur Öffnung setzt das DHM seine digitalen Angebote fort. Auf der Webseite, auf dem DHM-Blog und den Social Media-Kanälen finden sich weiterhin Beiträge zur aktuellen Ausstellung und zu anderen Themen des Hauses. Das Geschichtsportal Lebendiges Museum Online (LeMO) bietet Zeitzeugenberichte, Fotos, Videos und 360°-Objekte zu historischen Themen und Ereignissen.

Alle Infos zum Besuch: https://www.dhm.de/besuch-service.html

Malik Berkati

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